Elise-Averdieck-Straße 17, 27356 Rotenburg (Wümme)

Podiumsdiskussion „Kitas in Not“ – Wie geht es weiter?

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„Kitas in Not – Wer kann eigentlich was tun?“: Unter dieser Fragestellung sind am Mittwochabend im Rotenburger Buhrfeindsaal etwa 200 Interessierte zusammengekommen, um sich an der von Diakonissen-Mutterhaus, der Stadt Rotenburg sowie dem Kita-Verband Rotenburg-Verden organisierten Podiumsdiskussion zur angespannten Lage in den Kindertagesstätten zu beteiligen. Durchaus emotional, aber sehr konstruktiv und sachlich ging es um viele Themen in der knapp zweieinhalbstündigen Veranstaltung: Ausbildungsvergütung, Personalmangel, Beitragsfreiheit, Anerkennung ausländischer Fachkräfte, die drei grundlegenden Kita-Aufgaben Bildung, Erziehung und Betreuung, Verlässlichkeit sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Dass der Beruf an sich grundsätzlich kein unattraktiver ist, ist von mehreren Seiten zu hören. Doch die Rahmenbedingungen müssen geändert werden. Zum einen, um Nachwuchs zu gewinnen, unter anderem durch eine längst überfällige Ausbildungsvergütung. Zum anderen aber auch, und das ist ein wesentlicher Faktor, um die Mitarbeiter*innen zu halten, die schon da sind. Die sich teilweise „ausgebrannt fühlen“, über Jobwechsel nachdenken. „Ich will diese Arbeit machen, stoße aber an meine Grenzen“, sagt eine Erzieherin. „Es ist eine Überforderung da“, weiß Christine Hauschild, Kita-Leitung der Lindenburg, die neben Daniel Müller, Schulleiter der Elise-Averdieck-Schulen, und Bettina Paul-Renken, pädagogische Leitung des Kita-Verbands, als Praktikerin auf dem Podium vertreten ist. Es müsse also an den Strukturen gearbeitet werden, „damit die, die da sind, nicht das Handtuch werfen“. Hinzu kommen die Belastungen für die Eltern, von Abmahnungen durch Arbeitgeber ist auch die Rede. „Wir sehen, dass die Eltern unter Druck stehen“, so Hauschild. Doch sei angesichts der knappen Ressourcen eben nicht mehr alles machbar. Auch in finanzieller Hinsicht: Die Finanzierung der KiTas ist nicht ausreichend, schon gar nicht bei den gestiegenen Standards und bürokratischen Anforderungen.

Eine direkte Lösung kann am Ende des Abends zwar niemand präsentieren, doch haben die drei Landtagsabgeordneten auf dem Podium ordentlich Hausaufgaben für ihre Arbeit in Hannover und Bremen bekommen. Corinna Lange (SPD), Eike Holsten (CDU) und Pascal Mennen (Grüne) stehen nun in der Pflicht, die kleinen und größeren „Bausteine“, so nennt Richter die konstruktiven Vorschläge von verschiedenen Seiten, mitzunehmen. Da ist die Rede von mehr Flexibilität in der Kinderbetreuung durch „Sharing“-Modelle, die Einbindung von Senioren, eine Anpassung des Personalschlüssels mit dem Wunsch nach kleineren Gruppen oder auch unbürokratischere Anerkennung ausländischer Fachkräfte. Auch die Qualifizierung von Tagespflegepersonen rückt in den Fokus: Viele haben Interesse an einer pädagogischen Ausbildung, können sie aber nicht aufnehmen, weil das finanzielle Einbußen bedeuten würde in dieser Zeit. Auch wurde überlegt, ob Fachpersonal in kürzerer Zeit nicht direkt in den Einrichtungen ausgebildet werden könnte. Dieses Thema sei aber schlicht in den nächsten zehn Jahren nicht umsetzbar.

Es sind Möglichkeiten und vor allem auch Wünsche, die Situation mit schnellen Lösungen zu entspannen. Vieles dauert in dem Bereich zu lange, mitunter seien Themen auch „unpopulär anzupacken“, plädiert Rotenburgs Bürgermeister Torsten Oestmann. Er mahnt, dass pragmatisch schneller Lösungen gefunden werden müssen, „sonst fahren wir das System an die Wand“. Schnelle und einfache Lösungen gäbe es nicht, meint Mennen. Aber für ihn sei wichtig, unter anderem mitzunehmen, wie individuelle Lösungen umgesetzt werden können. Unter anderem in das von Niedersachsens Kultusministerium geplante Dialogforum zur angespannten Lage in den Kindertagesstätten am 25. Mai 2023. „Wir müssen den Eltern eine Verlässlichkeit anbieten“, weiß Lange.

Die vielfältigen Probleme seien erkannt worden, versichern die Landtagsabgeordneten. Sie werden mitgenommen. „In vielen Bereichen haben wir weniger Leute und das wird uns die nächsten Jahre massiv begleiten“, weiß Holsten. Viele Diskussionen werden auszuhalten sein, unbequeme Wahrheiten, die gemeinsam angegangen werden müssen. „Aber am Ende steht das Wohl des Kindes im Vordergrund.“ Was weiterhin passiert, behalten die Veranstalter natürlich im Blick – unter anderem auf einer für den Herbst angedachten Fortführung der Diskussion. Dann auch mit einem Vertreter der Arbeitgeberseite auf dem Podium und auch jemandem vom Kultusministerium, denn dieser Stuhl blieb an diesem Abend leer.

Text: Ann-Christin Beims (Stadt Rotenburg)

Fotos: Ann-Christin Beims (Stadt Rotenburg) und Johannes Stephens (Diakonissen-Mutterhaus)

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