Ein starkes Zeichen für Demokratie: Abschluss der Rotenburger Erklärung und 75 Jahre Grundgesetz
Rotenburg, 11. August 2024
Am 10. August 2024 fand um 17 Uhr in der Stadtkirche Rotenburg die feierliche Abschlussveranstaltung der „Rotenburger Erklärung für Demokratie & Zusammenhalt“ statt.
Über 450 Gäste waren der Einladung der Initiatoren der Erklärung, dem Ev.-luth. Diakonissen-Mutterhaus Rotenburg, dem AGAPLESION Diakonieklinikum Rotenburg, dem Förderverein Cohn-Scheune e.V., den Rotenburger Werke und der Stadt Rotenburg (Wümme) gefolgt.
Die Veranstaltung bot nicht nur einen Abschluss dieser Initiative, sondern diente auch als nachträgliche Feier des 75-jährigen Jubiläums des Grundgesetzes.
Während in vielen unterschiedlichen Beiträgen die Bedeutung des Grundgesetzes und das Bekenntnis für eine demokratische und diskriminierungsfreie Gesellschaft eindrucksvoll gewürdigt und gefeiert wurde, sorgte der prominente Gast des Abends, Heinz Rudolf Kunze, für Misstöne. Seine Statements zwischen den Liedern konterkarierten für viele Besucher die Botschaft des Abends und auch seiner eigenen Lieder, indem sie platte Stereotypen über den Islam verbreiteten und pauschal heutigen Schülern und Lehrern ein herabwürdigendes Zeugnis ausstellten.
Matthias Richter, Vorstand des Diakonissen-Mutterhauses:
„Es war ein runder Abend, an dem wir mit vielen Gästen die Bedeutung der Demokratie und der Grundrechte in Deutschland gefeiert haben. Es ist schade, dass Heinz Rudolf Kunze seine großartige Musik durch verletzende und spalterische Äußerungen selbst in Misskredit gebracht hat. Einige seiner Aussagen standen unsere Intention, die Freiheit des Grundgesetzes und die Grundrechte zu feiern und zum Zusammenhalt einer diversen Gesellschaft beizutragen, klar entgegen. Ich würde ihn nicht wieder einladen. Mit vielen Besuchern bin ich mir aber einig, dass diese Misstöne nicht den Grundduktus dieses beindruckenden Festes zerstören konnten.“
Zu Beginn des Abends würdigte Matthias Richter die Rotenburger Erklärung. Insgesamt waren in den 80 Tagen seit dem 23. Mai 2024 3540 Unterschriften von Einzelpersonen und Gruppen, Vereinen, Parteien und Firmen eingegangen. In seiner Rede thematisierte Richter auch die Hasskommentare, die im Zuge der Veröffentlichung der Erklärung auf Social-Media-Plattformen aufkamen. Gerade sie zeigten die Notwendigkeit, sich weiter für die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu engagieren.
Prof. Dr. Tom Schaberg las aus Thomas Manns Rede „Das Problem der Freiheit“ von 1939. Damit die Demokratie triumphiere, müsse sie kämpfen, forderte der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann schon vor gut 80 Jahren.
Musikalisch begleitet wurde der Abend von Stephan Orth am Piano und vom ROWokal Vokalensemble aus Rotenburg unter der Leitung von Karl-Heinz Vossmeier, das mit beeindruckendem Gesang das Programm bereicherte.
Sabine Ulrich, Geschäftsführerin der Rotenburger Werke, berichtete, dass in den letzten Jahren auch in Rotenburg Menschen mit Behinderungen auf Vorurteile und Ausgrenzung stoßen würden. Leona Siemsen, Integrationskoordinatorin des AGAPLESION Diakonieklinikums Rotenburg erläuterte die Bedeutung von Vielfalt in der täglichen Arbeit des Diakonieklinikums. Torsten Oestmann, Bürgermeister der Stadt Rotenburg, schilderte beispielhaft die Bedrohungen gegen einen Lokalpolitiker.
Den Schwerpunkt des Abends bildeten höchst eindrucksvolle Beiträge von Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Sottrum und der Eichenschule Scheeßel.
Die Sottrumer Schülerinnen, Preisträgerinnen des Otto-Wels-Preises für Demokratie 2024, stellten in einer beeindruckenden Präsentation den Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes vor und erinnerten an das Schicksal der jüdischen Familie Moses aus Sottrum.
Eine Debatte auf höchstem Niveau wurde vom Debattier-Club der Eichenschule Scheeßel präsentiert und regte zu intensivem Nachdenken an. Sehr differenziert und formvollendet nahmen die Schülerinnen und Schüler, allesamt Bundes-, Landes oder Regionalsieger des Wettbewerbs „Jugend debattiert“ zum Thema „Soll die Bedrohung von Amts- und Mandatsträger/innen härter bestraft werden?“ Stellung.
Darauf folgte die Präsentation der „Kinderhymne“ von Bertolt Brecht, von Stephan Anders a cappella vorgetragen. Die „Kinderhymne“ wurde 1950 als Gegenentwurf zum Deutschlandlied und der DDR-Nationalhymne geschrieben und betont den Wunsch nach einem vereinten, friedlichen und gerechten Deutschland, das mit seinen Nachbarn in gutem Einvernehmen lebt.
Den Hauptact des Abends bildete der bekannte Musiker Heinz Rudolf Kunze. Er begeisterte weite Teile des Publikums mit seinen Liedern, die die Botschaft der Veranstaltung musikalisch untermauerten. Gleichzeitig irritierte er mit seinen Moderationen, die den Inhalten seiner Lieder zuwiderliefen. Sie enthielten u.a. ein pauschales Bashing von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräfte und Witzen auf Kosten von Muslimen und führten dazu, dass sich Richter und Oestmann bei den Schülerinnen und Schülern und den Vertretern der Rotenburger Moscheegemeinde entschuldigten.
Im Anschluss an das Programm versammelten sich die Gäste zu einem Empfang auf dem Kirchhof. Bei Sekt und Selters wurde angeregt über die Themen des Abends diskutiert.
Aus Sicht der Initiatoren war die Veranstaltung trotz der Misstöne ein voller Erfolg und unterstrich, wie wichtig und aktuell das Engagement für Demokratie und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ist.
Die Unterschriften und die Rotenburger Erklärung für Demokratie und Zusammenhalt sind auf rotenburger-erklärung.de einzusehen.
Eine Stellungnahme der Veranstalter finden Sie hier.