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Elise-Averdieck-Straße 17, 27356 Rotenburg (Wümme)

Diakonissen

Leben im Mutterhaus

Eintritt

Durch Berichte in Zeitungen, über einen Jungfrauenverein oder später über die Volkshochschule Hermannsburg, vor allem aber durch persönliche Kontakte fanden junge Frauen den Weg ins Mutterhaus. Ihrer schriftlichen Bewerbung mussten sie Lebenslauf, Gesundheitsattest und Referenzen beilegen, Minderjährige außerdem die Einwilligung der Eltern. Aufruf von Pastor Buhrfeind um Eintritt neuer Probeschwestern „Die Not in unserem Volke ruft immer nach neuer Hilfe, aber die Zahl der neueintretenden Probeschwestern reicht kaum aus, die ständig wachsende Arbeit aufrecht zu erhalten. Soll nicht das Werk der Diakonie in unserer Landeskirche großen Schaden leiden, dann muss hin und her eine viel tatkräftigere Werbung für den Diakonissenberuf einsetzen als bisher. Es wird überall soviel über Arbeitslosigkeit geklagt, und hier ist Arbeit die Fülle (…)

So ergeht denn an alle Jungfrauen und kinderlosen Witwen, die den Herrn lieb haben und sein sündenvergebende Gnade erlebt haben, der herzlich und dringende Ruf: „Kommt herüber und helft uns!“ Ihr findet im Dienst des Herrn bei uns gesegnete Arbeit die Fülle und könnt euch ausbilden lassen nach eures Herzens Neigung und Wunsch: in der Krankenpflege, in der Gemeindepflege, in der Säuglingspflege, in der Kinderpflege und in der Erziehung. (…)“

Einsegnung

Der Einsegnung geht eine 10-tägige Rüstzeit voraus, eine Art Klausurzeit, die besonders schön gestaltet wird und die Novizinnen auf die Einsegnung vorbereitet. Während des Einsegnungsgottesdienstes erhält die Diakonisse ein Silberkreuz mit eingraviertem Namen, das sie von nun an stets trägt.

Einkleidung

Um den Diakonissen die Sorge um die Kleiderbeschaffung abzunehmen, übernimmt das Mutterhaus die Einkleidung seiner Schwestern: jede Diakonisse erhält Wäsche, Oberbekleidung, Schuhe und Haube. Die gemeinsame Tracht ist Ausdruck der Zugehörigkeit zur Diakonissenschaft und wird sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit getragen. Tracht und Hauben sind Maßanfertigungen, die in der hauseigenen Nähstube hergestellt werden. Die blaue Tracht wird alltags, die schwarze sonntags getragen. Jede Diakonisse ordert einmal pro Jahr ihren Kleiderbedarf.

Ausbildung

Während der Probezeit arbeiten die jungen Schwestern in der Hauswirtschaft und lernen den Ablauf im Mutterhaus kennen. Die eigentliche gründliche Ausbildung –zumeist in der Krankenpflege –erhalten sie während des Noviziats. Praktische pflegerische Kenntnisse erwerben sie auf den verschiedenen Stationen im Krankenhaus, die Theorie sowie theologische Fächer werden im „Diakonissenkursus“ vermittelt. Im Nationalsozialismus ist zudem „Rassenkunde“ Pflichtfach.

Arbeitsbereiche

Kindergarten / Kindergärtnerinnenseminar

Die Betreuung von Kindern, verbunden mit der Vermittlung christlicher Inhalte, ist den Rotenburger Diakonissen immer ein ganz besonderes Anliegen gewesen, stellen die Kinder doch die Generation von morgen dar. Gleich 1905 wurde in Rotenburg ein Kindergarten, 1906 ein Kindergärtnerinnenseminar und 1926 ein Kinderhort eröffnet. Dort und in auswärtigen Kindergärten haben Rotenburger Diakonissen über viele Jahre gearbeitet.

Gemeindepflege

Die Diakonissen waren in vielen auswärtigen Einrichtungen tätig: Kindergärten, Heimen, Krankenhäusern, vor allem aber in der Gemeindepflege, der „Krone der Diakonie“. Hier standen pflegerische Tätigkeit neben Verkündigung. Die Aufgaben der Gemeindeschwester waren vielfältig: Krankenpflege in den Häusern, Versorgung der Kinder, Veranstaltung von Mädchenkreisen in der Gemeinde etc.

Überlastung

Der verantwortungsvolle Dienst in der Gemeinde hatte aber auch seinen Preis. Die Dauerbelastung führte so manche Gemeindeschwester an den Rand ihrer Kräfte. Fortbewegungsmittel Nr. 1 war für die Gemeindeschwester lange Zeit das Fahrrad.

Der „Gestellungsvertrag“

Selbst aussuchen konnte sich die Diakonisse selten, wohin sie wollte. Nach dem „Entsendungsprinzip“ wurde sie vom Hausvorstand an die betreffende Stelle geschickt. Da die Diakonisse zum Gehorsam verpflichtet war, folgte sie der Anordnung. Oberin und Vorsteher bemühten sich aber, bei der Stellenvergabe die besonderen Gaben jeder Diakonisse zu berücksichtigen. Der Arbeitsvertrag wurde zwischen Vorstand und dem Träger der Außenstation (Krankenhaus, Heim, Gemeinde) geschlossen. Der Vorstand erhielt das Geld für die Entsendung einer Diakonisse. Die Diakonisse selbst bekam Taschengeld und freie Unterkunft.

Im Krankenhaus

Anfangs hatte das Rotenburger Krankenhaus keine eigene Ärzteschaft, sondern stellte seine Räume den Ärzten der Stadt und des Kreises zur Verfügung. Erst 1920 wurden die ersten hauseigenen Ärzte eingestellt. Für die Schwestern bedeutete dies eine Erleichterung, da sie sich nun nicht mehr ständig auf andere Ärzte einstellen mußten, sondern mit den fest angestellten ein Team bilden konnten. Das Aufgabenfeld einer examinierten Krankenschwester um 1920 umfaßte noch viele Tätigkeiten, die inzwischen längst von „Spezialisten“ übernommen werden: vom Putzen bis zu speziellen Tätigkeiten auf Station, im OP, Labor, Einkauf, Verwaltung und Küche übernahmen die Diakonissen alle anfallenden Arbeiten

Feierabend (Ruhestand der Diakonissen)

Der Zusammenhalt der Lebensgemeinschaft im Diakonissen-Mutterhaus wird vor allem im Alter wichtig, wenn die Diakonisse in den Ruhestand, den sog. „Feierabend“, geht. Die Feierabendschwestern bewohnten ab 1918 ein eigenes Haus, das ihren Bedürfnissen entsprechend eingerichtet war. Heute hat jede Diakonisse ihre eigene, komplett eingerichtete Seniorenwohnung. In gemeinsamen Ausflügen, dem gegenseitigen Sich-Besuchen und in der Fürsorge gegenüber alten und pflegebedürftigen Diakonissen zeigt sich die Stärke dieser Gemeinschaft.

Freizeit

Jeder Diakonisse standen 4 Wochen Jahresurlaub zu – für manche Diakonisse, die aus der Landwirtschaft kam, ein unbekannter Luxus. Auswärtige Diakonissen verbrachten einen Teil ihres Urlaubs im Mutterhaus, um den Kontakt zur Schwesternschaft zu festigen, andere Diakonissen fuhren zu Verwandten oder in andere Mutterhäuser. 1912 erwarb das Rotenburger Mutterhaus für seine Schwestern ein eigenes Feriendomizil in Altenbrak im Harz. 1941 wurde die Altenbraker Klause von den Nationalsozialisten konfisziert. 1979 ging sie in den Besitz des Diakonissen-Mutterhauses in Berlin-Teltow über.

Die Glaubensgemeinschaft

Das Fundament, auf dem die Diakonisse steht, ist der Glaube. Aus ihm schöpft sie Kraft für ihre tägliche, oft sehr schwere Arbeit. Um diesen Glauben lebendig zu halten, muss er regelmäßig praktiziert werden: durch tägliche Bibellese, durch das persönliche Gebet in der Stille und das Gebet in der Gemeinschaft, durch Gottesdienstbesuch, Abendmahlsfeier und gemeinsamen Gesang.

Dienstverständnis

„Diakonie“ heißt „Dienst“. Die Diakonisse versteht sich als eine Dienerin Jesu: die Liebe, die sie von Jesus erhält, möchte sie an andere weitergeben: an ihre Mitschwestern, Hausgenossen und vor allem an die „Mühseligen und Beladenen“. Die Diakonisse dienen also in dreierlei Weise: sie dienen Jesus, sie dienen den Kranken, Alten, Kindern, Behinderten und sie dienen untereinander. Dazu fühlen sie sich von Jesus in ihr Amt und in ihre Arbeit berufen.

Gottesdienst feiern

Die Gottesdienste fanden zusammen mit den Bewohnern und Mitarbeitern zunächst in der Anstaltskapelle statt. 1912 wurde dann die Anstaltskirche „Zum Guten Hirten“ eingeweiht und später mit Bildern des Malers Rudolf Schäfer ausgeschmückt. Seit 1982 gibt es im Mutterhaus eine eigene Kapelle.

Äussere Mission

Einige Rotenburger Diakonissen gingen für die Hermannsburger Mission nach Übersee: in Äthiopien, Südafrika und Brasilien pflegten sie Kranke, betreuten Kinder und alte Menschen. 1914 reiste Diakonisse Clara Frank nach Curitiba/Brasilien aus, wo sie als Gemeindeschwester tätig war und einen deutschsprachigen Kindergarten einrichtete. Annita de Vries arbeitete für 2 Jahre in einem deutschen Altenheim in Brasilien. Diakonisse Sigrid Glampe arbeitete in Südafrika als Gemeindeschwester. Die Diakonissen Tine Albers, Annemarie Weseloh und Brigitte Büchler waren lange Jahre in Äthiopien tätig. Diakonisse Annemarie Weseloh rief in Nekempte, Äthiopien, ein Aids-Projekt („Ossa“: Organisation for Social Services for Aids) ins Leben: dazu gehört Aufklärung der Bevölkerung über Aids, Versorgung von Aidswaisen, Begleitung Aidskranker und Sterbender.

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